Den Straftatbestand der Aggression, also der „Anwendung von Waffengewalt durch einen Staat gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines anderen Staates“, kann der IStGH auf Grundlage eines weiteren Statuts anklagen. Das geht aber nur, wenn der Täterstaat Mitglied des IStGH ist, oder auf Beschluss des UN-Sicherheitsrats. Russland aber hat – ebenso wie die USA – den Gründungsvertrag des IStGH zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Und es kann und wird als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats mit seinem Veto verhindern, dass dieser den IStGH aktiviert.
Weil diese Situation äußerst unbefriedigend ist, hat Außenministerin Annalena Baerbock ein Sondertribunal vorgeschlagen, das von Europa nach ukrainischem Recht über die russische Aggression verhandeln soll. Der Ansatz ist naheliegend, greift aber zu kurz. Denn Angriffskriege sollten – auch gegen den Willen der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat – überall, nicht nur in Europa, verfolgt werden können. Die Hoheit darüber sollte bei den Vereinten Nationen liegen, etwa bei der Generalversammlung, die befugt sein sollte, ein Sondergericht zu empfehlen oder zu bestätigen. Das würde zunächst in der Ukraine, aber künftig auch an anderen Orten der Welt die Zone der Straflosigkeit beseitigen, mit der aggressive Regierungen derzeit noch rechnen.
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